Was tun bei psychischen Problemen? Was unterscheidet eine Belastung von einer Störung? Welchen Unterschied gibt es zwischen Psychologie, Psychotherapie und Psychiatrie? Hier finden Sie Antworten auf allgemeine Fragen rund ums Thema Psyche.
Einführungsvideo der Beratungsstelle
Schauen Sie sich als Einführung unser Video zum Thema an:
Vermutlich kennen wir alle Phasen, in denen es uns psychisch nicht so gut geht. So sind wir etwa weniger motiviert, niedergeschlagen, machen uns Sorgen oder fühlen uns ganz allgemein nicht wohl in unserer Haut. Nicht jede Person reagiert genau gleich auf solche Zustände. Je nach Vorerfahrung, Erlebnissen und verfügbaren Ressourcen unterscheidet sich unser Umgang mit psychischen Belastungen. Zudem kommt es sehr darauf an, wie oft und wie lange solche Phasen andauern.
Psychisch belastet zu sein, muss nicht bedeuten, an einer psychischen Störung zu leiden. Es ist wichtig, die Symptome ernst zu nehmen und gut zu sich zu schauen. Oft ist es hilfreich und sinnvoll, sich rechtzeitig Unterstützung zu suchen respektive etwas für das Wohlbefinden bzw. die psychische Gesundheit zu tun, bevor sich die Symptomatik zusehends verstärkt. Je mehr Zeit vergeht, desto höher kann die Schwelle werden, Hilfe anzunehmen.
Rund ein Viertel aller Studierenden gibt in Umfragen an, unter psychischen Schwierigkeiten zu leiden. Häufig sind dies Belastungen wie:
- Leistungsdruck
- Aufschieben von Arbeiten/Lernen (sog. «Prokrastinieren»)
- Versagensängste/Prüfungsängste
- reduziertes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl
- depressive Verstimmungen
- Motivationsschwierigkeiten
- Zukunftsängste
- Konflikte mit Eltern, Mitbewohner/innen und Partner/innen
- Stress aufgrund von Nebenjob und Studium
- Einsamkeit/fehlende soziale Kontakte
Jede vierte arbeitnehmende Person in der Schweiz wird mindestens einmal in ihrem Arbeitsleben aufgrund psychischer Belastung krankgeschrieben.
Aus dauerhafter psychischer Belastung kann eine psychische Störung resultieren, wie beispielsweise eine depressive Episode, Panik- und Angststörungen, Essstörungen usw.
Was tun bei psychischen Problemen?
Falls Sie sich in einer akuten Krise befinden, raten wir Ihnen, unsere Webseite «Krisensituationen» zu konsultieren. Zögern Sie nicht, rasch professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen:
Wir sprechen von einer «Krise», wenn unser seelisches Gleichgewicht aufgrund von belastenden Ereignissen und Lebensumständen aus den Fugen gerät und wir mit deren Bewältigung überfordert sind (gemäss Caplan, 1964 & Cullberg, 1978).
Werden Sie permanent von psychischen Problemen belastet? Oder leiden Sie unter unregelmässig auftretenden psychischen Problemen, haben aber auch immer wieder «stabile Phasen»? Beide Formen der psychischen Belastung sind weit verbreitet und können das Funktionieren im Alltag teilweise stark beeinträchtigen. Folgende Massnahmen können dabei hilfreich sein:
- Gehen Sie einer geregelten Tagesstruktur nach. Je nach Art der Belastung und Persönlichkeit ist dies besonders wichtig.
- Gönnen Sie sich eine kurze Auszeit, wenn eine Belastung zu gross wird. Dies kann, muss aber nicht mit einem kompletten Tapetenwechsel verbunden sein. Oft genügt es, wenn Sie bewusst einer Tätigkeit nachgehen, die Ihnen Freude macht bzw. guttut.
- Finden Sie eine oder mehrere passende Methoden, um Ihr Wohlbefinden zu stärken. Beachten Sie dabei unsere umfangreichen Anregungen zur Selbstfürsorge auf unserer Webseite «Wohlbefinden stärken»:
- Prüfen Sie allenfalls, ob Sie eine oder mehrere Terminfristen verschieben können im Studium (z.B. ein Prüfungsdatum) oder bei der Arbeit. Dies kann eine entscheidende Entlastung bedeuten, wenn ein zusätzlicher Stress nicht bewältigbar scheint. Beachten Sie auch unsere Webseite zum Thema «Stressbewältigung»:
- Sprechen Sie mit einer Person aus Ihrem persönlichen Umfeld, der sie vertrauen und bei der Sie sich aufgehoben fühlen, über Ihre Situation. Es wirkt meist schon entlastend, die eigenen Gedanken und Sorgen auszusprechen und konkret formulieren zu können. Auch die Rückmeldungen des Umfeldes können hilfreich sein.
- Sprechen Sie mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt über eine mögliche Krankschreibung. Dies kann z.B. bei drohendem Burnout, bei Mobbing oder einer anderen intensiven Belastungssituation eine wichtige Selbstschutzmassnahme sein.
- Nehmen Sie bei uns eine kostenlose Beratung in Anspruch, um geeignete und auf Ihre individuelle Situation zugeschnittene Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Schalten Sie beim Studium oder bei der Arbeit generell einen Gang zurück!
Studium
Studierende entscheiden in belastenden Situationen nicht selten, das Studium um ein Semester zu verlängern. Im Moment scheint ein Semester (14 Wochen) vielleicht eine lange Zeit zu sein. Auf das ganze Leben aufgerechnet bereuen aber die wenigsten diese Investition, im Gegenteil: Es wird meist mehr Zeit gewonnen als verloren.
Arbeit
Die Lösung für Arbeitnehmende ist oft nicht ganz so einfach und naheliegend, weil meist weniger Gestaltungsfreiraum besteht. Aber auch hier bieten sich verschiedene Optionen:
- Grenzen Sie sich stärker ab und getrauen Sie sich auch mal «Nein» zu sagen. Jemandem «Nein» sagen heisst gleichzeitig zu sich selbst «Ja» sagen.
- Priorisieren Sie Ihre Aufgaben (noch) stärker und delegieren Sie diese zumindest teilweise an andere Personen. Lassen Sie sich dabei inspirieren von unserem YouTube-Video zum Thema Aufgaben-Priorisierung:
- YouTube – Beratungsstelle Berner Hochschulen – Aufgaben-Priorisierung gemäss Eisenhower-Prinzip
- Versuchen Sie, Ihre belastende Situation und mögliche Lösungsstrategien mit der/dem Vorgesetzten bzw. dem Team zu besprechen.
- Gerade falls eine Besprechung am Arbeitsplatz schwierig oder nicht möglich scheint: Nehmen Sie bei uns eine kostenlose Beratung oder – bei einer Konflikt-/Mobbingsituation – eine Mediation in Anspruch (beachten Sie dabei auch die untenstehenden Links zu unserem entsprechenden Angebot). Oder besprechen Sie Ihre Situation mit einer Fachperson der Personalabteilung und/oder einer anderen Vertrauensperson.
- Bei länger anhaltenden Belastungssituationen sind z.B. eine Veränderung der Aufgabenteilung im Team, eine Anpassung des Stellenbeschriebs, eine Reduktion des Stellenpensums, ein unbezahlter Urlaub oder allenfalls auch ein Stellenwechsel zu prüfen.
Stigmata und Mythen
Rund um psychische Probleme oder Störungen und davon betroffene Personen bestehen immer noch zahlreiche Stigmata. Wir versuchen hier, mit einigen dieser Mythen aufzuräumen und stellen diesen die wissenschaftsbasierten Fakten gegenüber.
Mythos: Nur schwache Menschen werden psychisch krank.
Fakt: Eine psychische Störung kann jede oder jeden treffen – wenn auch mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit. Viele Menschen, die eine psychische Störung entwickeln, hätten zuvor nie gedacht, dass sie selbst einmal davon betroffen sein könnten.
Mythos: Psychische Störungen sind selten.
Tatsache: Jede zweite Person in der Schweiz erkrankt mindestens einmal im Leben an einer diagnostizierbaren psychischen Störung. Diese Zahl erstaunt nicht zuletzt deshalb, weil psychische Störungen nach wie vor stark tabuisiert werden.
Mythos: Einmal krank, immer krank.
Fakt: Es gibt tatsächlich Menschen, die eine chronische psychische Störung entwickeln, sehr viele Menschen überwinden jedoch die psychische Störung für immer.
Mythos: Psychische Störungen entstehen erst im späteren Erwachsenenalter.
Fakt: Die meisten Personen erkranken vor dem vollendeten 20. Lebensjahr an einer psychischen Störung.
Mythos: Nach einer psychischen Krankheit wird es nie wieder so gut wie früher.
Fakt: Es gibt tatsächlich Menschen, die nicht wieder auf dieselbe Lebensqualität zurückkommen wie vor der psychischen Störung. Viele Menschen verändern aber ihr Leben während der Therapie so, dass ihre Lebensqualität im Vergleich zu früher sogar steigt.
Mythos: Jeder Mensch ist doch immer mal wieder depressiv.
Fakt: Dieser Mythos zeigt, wie stark Depressionen missverstanden werden und wie schwierig es ist, den immensen Leidensdruck der Betroffenen nachzuvollziehen. Eine depressive Störung ist weitaus schlimmer, als wenn man sich während einigen Tagen betrübt fühlt.
Mythos: Depressive Personen sollten sich einfach mehr zusammenreissen.
Fakt: Das Schwierige an einer depressiven Störung ist, dass man sich nicht zusammenreissen kann. Dies ist für Menschen ohne depressive Störung möglicherweise schwer nachzuvollziehen.
Mythos: Menschen, die über Tod und Suizid sprechen, haben nicht wirklich vor, sich umzubringen.
Fakt: 75% der Menschen, die Suizid begehen, haben die Tat im Vorfeld angekündigt (45% verbal). Zudem gehen dem Suizid oft viele Warnsignale voraus. Eine Suizidankündigung oder Hinweise auf eine Suizidalität müssen IMMER ernst genommen werden.
Mythos: Hält man heute jemanden vom Suizid ab, wird sie oder er sich einfach am nächsten Tag umbringen.
Fakt: Die meisten Menschen, die vom Suizid abgehalten werden, bringen sich auch im weiteren Verlauf nicht um. Der suizidale Modus dauert meist nur einige Stunden bis einige Tage.
Mythos: Spricht man Menschen auf eine vermutete Suizidalität an, bringt man sie erst recht auf den Gedanken, sich das Leben zu nehmen.
Fakt: Wer nicht suizidal ist, wird auch nicht suizidal, wenn er/sie darauf angesprochen ist. Wer suizidal ist, ist oft darauf angewiesen, von anderen darauf angesprochen zu werden. Dies auch deshalb, weil sich die meisten suizidgefährdeten Menschen niemandem anvertrauen, sich schämen, niemandem zur Last fallen wollen oder davon ausgehen, dass man ihnen sowieso nicht helfen kann.
Mythos: Medikamente verändern die Persönlichkeit und machen abhängig.
Fakt: Es gibt tatsächlich einige Medikamente, die abhängig machen können. Diese müssen mit Vorsicht verwendet werden. Der Grossteil der Medikamente macht jedoch nicht abhängig. Medikamente können gerade bei schwereren psychischen Problemen oder Störungen helfen, die Persönlichkeit schützen und ein Ungleichgewicht von Botenstoffen im Gehirn ausgleichen.
Gut zu wissen
Unser Team besteht aus Psychologinnen und Psychologen unterschiedlicher Fachrichtungen, aus den Bereichen der Studien- und Laufbahnberatung sowie der Psychotherapie.
Psychologinnen und Psychologen haben ein fünfjähriges Psychologiestudium absolviert. Im Master haben sie sich (grösstenteils) auf ein Gebiet spezialisiert z.B. Klinische und Gesundheitspsychologie, Sozialpsychologie, Neuropsychologie, Kognitive Psychologie, Arbeits- und Organisationspsychologie etc.
Viele Psychologinnen und Psychologen, die sich auf Klinische und Gesundheitspsychologie spezialisiert haben, machen anschliessend eine berufsbegleitende Weiterbildung zur psychologischen Psychotherapeutin resp. zum psychologischenPsychotherapeuten (hier gibt es erneut verschiedene Therapierichtungen/Schulen).
Psychiaterinnen und Psychiater haben sechs Jahre Humanmedizin studiert und anschliessend eine berufsbegleitende Weiterbildung zur ärztlichen Fachkraft für Psychiatrie und Psychotherapie absolviert.
- Eine Psychiaterin oder ein Psychiater verschreibt aufgrund des medizinischen Hintergrundes – wenn nötig und gewünscht – auch Psychopharmaka.
- Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten dürfen dies nicht.
Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können seit dem 1. Juli 2022 zulasten der obligatorischen Krankenkasse selbständig und auf eigene Rechnung tätig sein. Voraussetzung ist eine ärztliche Anordnung. Diese kann nach Konsultation von der Hausärztin oder vom Hausarzt ausgestellt werden.
Eine psychotherapeutische Sitzung kostet je nach Dauer zwischen 150 und 180 CHF.
Psychiaterinnen und Psychiater können weiterhin ohne Anordnung Ihre Leistungen durchführen.
Die Beratungsstelle der Berner Hochschulen bietet ihre psychologischen Beratungen für Studierende und Mitarbeitende der Berner Hochschulen im Auftrag des Kantons Bern kostenlos an.
Psychische Probleme immer noch als Tabu
«Sick Of Silence» lässt junge Menschen zu Wort kommen, die vom Schicksal ausgebremst wurden. Nicht jede Person traut sich, offen über das persönliche Schicksal zu sprechen. In den folgenden Podcasts und Videos wird diesen Menschen eine Stimme gegeben.